Reiseberichte

Von Chopin über Piłsudski bis Zamoyski

von | September 2015 | Reiseberichte

Sommerpalast von König Jan III. Sobieski in Wilanów aus dem 17. Jahrhundert. (Foto: Hans-Jürgen Pohl)

Reise in den Osten Polens

Die Reisegruppe der Sendener DPG im Freilichttheater des Łazienki-Parks, der Sommerresidenz des letzten polnischen Königs Poniatowski. (Foto: Dr. Helmut Mönninghoff)

Viele Namen großer Polen sind für uns Deutsche Zungenbrecher. Doch unseren polnischen Nachbarn sind sie nicht nur sprachlich geläufig sondern auch deren Taten und Hinterlassenschaften sind ihnen allgegenwärtig. Das und vieles mehr erfuhren die Mitglieder der Reisegruppe der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Senden (DPG) während ihrer Reise nach Warschau und durch Ostpolen Anfang September.

Bereits im Warschauer Łazienki-Park erfuhr die Gruppe wie sehr sich polnische Menschen mit ihrer Kultur identifizieren, in dem sie nicht nur um die Skulptur des Komponisten Frédéric Chopin herum flanieren können, sondern auch an schönen Tagen unter freiem Himmel seinen Klavierkonzerten aus dem 19. Jahrhundert lauschen können. Auf einem freistehenden Flügel werden sie dort von einem heutigen Künstler intoniert. Eine Kulturreise unter dem Motto „Polnische Renaissance“ führte die Sendener dann immer weiter in den Osten in die Städte Lublin, Kasimierz Dolny, Zamość, Sandomierz, Łancut und schließlich zurück nach Krakau.

Wie baut man eine am Reißbrett entworfene, quadratische Planstadt? Der Magnat Jan Zamoyski holte sich dazu im 16. Jahrhundert einen venezianischen Baumeister, der ihm diesen Traum auf der grünen Wiese im Stil der italienischen Renaissance verwirklichte. Der Stadtkern hat sich so bis ins 21. Jahrhundert erhalten. Und immer wieder kreuzten die Reisenden die Weichsel, die nicht nur dieser östlichen Region sondern auch ganz Polen ihren Stempel aufdrückt. Die oberhalb des bekannten Flusses gelegenen Orte Kasimierz Dolny und Sandomierz geben heute noch Zeugnis für wichtige Handelsrouten, die einst über die Weichsel führten. Viele Jahrhunderte bestimmte jüdisches Leben diese Städte und die Region. Es finden sich dort nur noch Gedenktafeln, die an die schreckliche Vergangenheit und das Schicksal der Menschen erinnern. Jüdische Gemeinden gibt es in den Städten der Weichselregion im heutigen Polen nicht mehr. In Zamość steht die kunstvoll restaurierte Synagoge nur noch als Denkmal.

Erntedankfest in Sandomierz an der Weichsel. (Foto: Hans-Jürgen Pohl)

Rekonstruktionen, Restaurationen und zeitgenössische Renovierungen mit großem materiellem Aufwand sind offenbar für die Menschen in Polen ein nationales Anliegen. Dies konnten die Reisenden der Sendener DPG an zahlreichen im Krieg völlig zerstörten Bürgerhäusern in der Warschauer Altstadt – heute Weltkulturerbe – in zahlreichen Kathedralen, Kirchen, Königspalästen, großen und kleinen Schlössern und Sommerresidenzen mit ihren prachtvollen Gärten bewundern. Eine besondere Augenweide ist der frisch renovierte Palast Wilanów, eines der schönsten Schlösser Polens, am Rande von Warschau. König Jan III. Sobieski ließ den Barock-Palast im 17. Jahrhundert erbauen. Später durfte der Sachse August der Starke selbst als polnischer König nur zur Miete dort wohnen.

Martialischer waren dagegen die Begegnungen mit Marschall Józef Klemens Piłsudski, der nach dem 1. Weltkrieg gegen die russische Herrschaft kämpfte und Polen in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts zeitweilig diktatorisch regierte. Erinnerungen an ihn und an vieles mehr aus der polnischen Geschichte waren während des kommunistischen Regimes ein Tabu. Die Sendener konnten jetzt sein Denkmal und seine Staatskarosse in Warschau bewundern. Auch war es nach der Wende 1989 in Polen erst möglich an den Warschauer Aufstand von 1944 zu erinnern und am Ort des Geschehens ein eindrucksvolles Mahnmal zu errichten.

Jan Gras, der polnische Reiseführer, der die Gruppe während der ganzen Fahrt begleitete, erklärte an den historischen Plätzen eindringlich und kenntnisreich die beiden Aufstände in der polnischen Hauptstadt während der Besatzung durch Nazi-Deutschland im 2. Weltkrieg: den Aufstand der Juden im Ghetto 1943 und der Aufstand der Soldaten der polnischen Heimatarmee 1944. Doch auch das heutige Polen – EU- und NATO-Mitglied – kam bei den authentischen Schilderungen von Jan Gras nicht zu kurz. Ob es nun um die aktuelle politische Lage ging, den Arbeitsmarkt, die modernen Wirtschaftsstrukturen, die Durchschnittsverdienste, die Konflikte innerhalb der katholischen Kirche oder die sinkenden Geburtenraten.

Ihren harmonischen Ausklang bei strahlendem Sonnenschein fand die Reise der Sendener DPG auf dem Krakauer Marktplatz – Rynek Główny – mit seinen berühmten Tuchhallen und der Marienkirche.